„Ich hatte und habe den Drang danach, etwas zu schaffen, was die Modeindustrie verändert.“

Anna Franziska Michel,

Gründerin von YOONA Technology


Mode, in seinen verschiedensten Erscheinungen, gibt es seit Tausenden von Jahren. Dabei kann man in den einzelnen Jahrzehnten einen großen Unterschied in den Trends und der Art und Weise, wie die Kleidung getragen wird, beobachten. Doch nicht nur der Stil unterliegt hier einem stetigen Wandel, auch die Art und Weise wie die Kleidung designed und produziert wird, hat hier schon enorme Fortschritte gemacht. Vor allem in unserer heutigen Zeit, ist die Zusammenkunft von Technologie und Fashion gar nicht mehr so weit entfernt.

Anna Franziska Michel ist Modedesignerin, Sportwissenschaftlerin und die Gründerin von Yoona Technology.

Mit ihrem Unternehmen hat sie eine künstliche Intelligenz entwickelt, die individuelle Designs für ihre Kleidungsstücke kreiert, und das basierend auf Daten, die beispielsweise von Tracking Apps gewonnen werden. Anhand dieser Daten werden individuelle Designs erstellt, die dann auf die Kleidungsstücke gedruckt werden. Anna Franziska hat uns im Interview erzählt, wie sie auf diese Technologie gekommen ist und wo sie den Fashion-Markt in naher Zukunft sieht.


Anna, was hast du vor deiner Selbstständigkeit gemacht?

Ich habe Lehramt für Gymnasien in den Fächern Sport und Kunst studiert und mit einem Staatsexamen abgeschlossen. Danach begann ich das Studium im Fachbereich Modedesign und schloss hier mit einem Bachelor und Master ab. Während meines Modedesign-Studiums habe ich zwei Kinder bekommen. Allerdings habe ich schon immer selbstständig gearbeitet. Das heißt, ich habe mein Studium mit Freelancer Aufträgen finanziert. Dennoch finde ich, ist es immer noch ein Unterschied, ob man ein Unternehmen mit einem Team gründet oder als Freelancer als Einzelunternehmer arbeitet. Die Gründung von Unternehmen begann ich nach dem Bachelor. Ich startete mehrere Projekte mit Teams, bis ich mit Yoona Tech meinen Weg fand.

Wie bist du darauf gekommen Technologie und Design zu verbinden?

Nach dem Bachelor Studium im Fachbereich Modedesign gründete ich mein eigenes Modelabel. Währenddessen wurde mir bewusst, dass die Arbeit sehr ineffizient war und dass Konsumenten den langen Prozess im Design nicht kennen und auch schwer nachvollziehen können. Mir hat die alleinige Umsetzung meiner Kreativität in Modedesign nicht genügt. Es kam mir nach kurzer Zeit sinnlos vor, einfach noch mehr Kleidung zu produzieren. Allgemein wird in der Bekleidungsindustrie einfach so viel Müll in kleinen und großen Modeunternehmen geschaffen (100 Billionen Tonnen weltweit neue produzierte Kleidungsstücke) oder der Konsument wirft seine Kleidung nach kurzer Tragezeit einfach weg (4,3 Billionen Tonnen weltweit), weil es gar nicht wertgeschätzt wird. Ich hatte und habe den Drang danach, etwas zu schaffen, was die Modeindustrie verändert. Zuerst, inspiriert von meinen eigenen sportlichen Tracking Daten, verfolgte ich die Entwicklung einer Software, die persönliche Daten in Design transformiert. Hierfür nutzen wir z. B. neuronale Netze, eine künstliche Intelligenz. Individualität ist ein Megatrend und was ist heute individueller als die eigenen Tracking Daten?

Individuelle Kleidung schafft beim Konsumenten ein ganz anderes Bewusstsein und Gefühl zum Kleidungsstück. Das sorgt für eine längere Tragezeit und Wertschätzung. Dafür gründete ich ein Team und gemeinsam mit einem Professor, aus dem Fachbereich Wirtschaftsinformatik meiner Universität, eine Forschungsgruppe. Während dieser Arbeit stellte ich fest, dass wir noch viel mehr können, als Daten in Design verwandeln. Neuronale Netze können perfekt dafür genutzt werden, um die Designprozesse zu verkürzen. Somit können gewisse Bereiche des noch manuellen Prozesses digitalisiert werden. Unsere Technologie erhielt einen Namen – YOONA. Individuelle Kleidungsstücke sind somit schnell und easy herzustellen. Jetzt bin ich so weit, dass ich auch mit größeren Modeunternehmen, wie z. B. Ernstings Family zusammenarbeite. Ich glaube daran, dass mit neuen disruptiven Technologien in der Mode viel verändert und vor allem auch mehr Nachhaltigkeit erreicht werden kann. Wer jetzt verpasst sich damit auseinander zu setzen, wird es in Zukunft schwer haben.

Erkläre uns bitte, wie euer Konzept funktioniert.

Mit unserem yooneeque – Konzept können persönliche Daten von z. B. Tracking Apps oder sämtliche sportlich aufgezeichneten Daten, wie Trainingsbeteiligung o. ä., in Designs umgewandelt werden. Das heißt, im Moment werden uns die Daten gesendet plus z. B. eine Farbwahl oder eventuelle Vereinslogos. Danach bekommt der Nutzer von uns drei unterschiedliche Designvorschläge. Nach der Auswahl wird das Design von unserem Berliner Partner Plott-o-Mat hergestellt. Der Kunde erhält dann von uns ein Design, plus eine ganz persönliche Urkunde, wo visualisiert wird, wie das Design entstanden ist. Wie schon beschrieben, inkludiert das Konzept mit unserer YOONA Technologie auch den Backend Prozess, sodass es zu einer Verkürzung des Design Prozesses zu einem Klick kommt. Das heißt, würde ein Designer manuell die entstandenen Drucke in technische Zeichnungen oder auf Schnittteile übertragen, kann ein neuronales Netz lernen, dies automatisch zu tun. Das Ziel ist, individuelle und allgemeine Designprozesse zu vereinfachen und effizienter zu gestalten.

Wir können uns vorstellen, dass es bei der Ausführung solch eines neuen Konzepts einige „Trial & Error“-Momente gab. Was waren solche Lehrmomente für dich?

Iterationen gibt es ständig. Am laufenden Band muss alles neu überdacht und wieder neu angepasst werden. Da der Designprozess oder selbst das Erschaffen eines Kunstwerkes dem gleichen Arbeitsprozess unterliegt, ist mir dies sehr vertraut. Ich glaube, wer das nicht gewohnt ist, sowie auch Sicherheit und Stabilität braucht, dem fällt das ziemlich schwer. Ich kann mich erinnern, dass ich, als ich in Barcelona freie Kunst studierte, nachts stundenlang meine Bilder angesehen und analysiert habe, um herauszufinden, was ich verändern muss, um die perfekte Komposition zu erreichen. Dasselbe mache ich heute noch, jedoch bezogen auf mein Geschäftsmodell, Strategie oder To Do´s. Lehrmomente gab es nicht nur bei der direkten Umsetzung des Konzeptes, sondern auch beim Team. Ganz zu Beginn meiner Reise habe ich z. B. mit einem Partner gearbeitet, der eben nicht mit Iterationen umgehen konnte und überhaupt kein Teamplayer war. Das hat fast das gesamte Projekt zum Fall gebracht und ich habe gekämpft, um alles zu retten und weiterzuarbeiten.

Agiles Management ist für mich total wichtig. Nützt ja nichts, wenn man weiter in eine Richtung arbeitet, z. B. bei der Software, und das Ergebnis ist aber nicht zufriedenstellend. Dann kann ich ja nicht, nur weil ich es gern bequem hätte und keine Lust habe, mich zu bewegen, einfach so weiter machen. Dann muss man alles analysieren und die Richtung wechseln. Dafür braucht man Teammitglieder, die selbst auch Initiative ergreifen und mitdenken. Geht nicht – gibt es bei mir nicht. Es gibt immer drei neue Lösungsvorschläge, wie ein Ziel erreicht werden kann.

Wer trägt eure Designs? Sind diese für bestimmte Nischen gemacht? Sind eure Designerstücke Alltagstauglich und für jedes Budget verfügbar?

Die Yooneeque Designs bieten wir vor allem Sport Teams und Unternehmen an. Zum Beispiel trägt jetzt die Hertha Zehlendorf Jugendmannschaft ein Trikot aus ihren individuellen Team Daten. Aber auch das Unternehmen Potts Architects trug ihre Teamshirts zum Berliner Company Run designed aus Unternehmensdaten. Die YOONA kann einfach alle Daten in Designs umwandeln, die man möchte. Wir haben auch selbst eine Kollektion erstellt, die wir zur Berlin Fashion Week präsentiert haben. Es ist schon sehr sportlich gehalten, weil unsere First User aus dem Sportbereich kommen. Aber im Prinzip kann das auf alle Designstile und sogar Autos oder Handyhüllen erweitert werden. Das Ziel ist ja, durch die technologische Unterstützung, individuelle Designs so effizient und easy herstellen zu können, dass es eben für jedermann zugänglich ist und so alle die Möglichkeit haben, hochindividuelle Kleidungsstücke zu tragen. Und so, im weitesten Sinne, global eine Verringerung des Mülls und der Massenproduktion zu erreichen. Darüber hinaus soll YOONA auch über individuelle Designs hinaus angewendet werden, wie beispielsweise für die Kollektionsgestaltung in Modeunternehmen.

Wir beobachten, dass immer mehr Technologie in die Fashion Industrie mit einbezogen wird. Denkst du, dass sich langsam ein Wandel abzeichnet, in der Art wie Menschen ihre Kleidung tragen?

Ich denke, dass Kleidung erst einmal noch eine ganze Weile Kleidung bleiben wird, auch wenn Wearables oder 3D Druck schon versuchen eine Veränderung in die Wege zu leiten. Aber ich glaube daran, dass Technologie die Prozesse im gesamten Modebereich verändern wird. Eine holistische Digitalisierung in der Mode spielt meiner Meinung nach in Bezug auf Nachhaltigkeit eine wesentliche Rolle. Wir arbeiten dahingehend nicht nur an einer Prozess Software, sondern haben auch mit unserer digitalen Fashion Show gezeigt, dass sich selbst auch Präsentationsformen ändern werden.

Wie kommt dieses Konzept am Markt an?

Ich bin gerade dabei, mein Team von einer Forschungsgruppe zu einem Unternehmen zu transformieren. Darüber hinaus optimieren wir die Software und die Website, um große Modeunternehmen als Partner zu akquirieren. Nichtsdestotrotz können wir, ohne jegliches Marketing, von einer großen Interessenanzahl sprechen. Natürlich bekommen wir immer wieder zu spüren, dass es etwas Neues ist, aber Begeisterung macht sich dann schnell breit.

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Es scheint, als würde nicht mehr so sehr die Mode selbst, sondern eher die Inszenierung im Vordergrund stehen. Wie denkst du darüber?

Mode entwickelte sich schnell von bloßer Bekleidung und Zweckerfüllung zum eigenen Ausdruck. Spätestens seit dem 15. Jahrhundert kann man sagen, dass Mode auch die eigene Inszenierung bedeutet. Dennoch ist es so, dass die eigene Inszenierung in Ländern wie Frankreich oder Italien einen ganz anderen Stellenwert hat, als in Deutschland, wo Kleidung schon vor allem praktisch sein muss.

Betrachten wir die verschiedenen Generationen von X über Y zur jetzigen Generation Z, dann erkennen wir den Drang nach mehr Individualität, gepaart mit digitaler Verbundenheit. Hier steht das „Ich“ und dessen Einzigartigkeit im Vordergrund. Das sind die Kunden von morgen. Ich bin Modedesignerin und ich bin natürlich begeistert, wenn Mode nicht nur den Zweck erfüllt, sondern die Inszenierung eine große Rolle spielt.

Du bist Mutter, Sportlerin, Unternehmerin, Künstlerin und Designerin. Wie ist es für dich, so viele Hüte gleichzeitig aufgesetzt zu bekommen?

Hüte gleichzeitig aufgesetzt bekommen. Ich bekomme die Hüte nicht aufgesetzt, sondern ich mache einfach das, wofür ich brenne. Der Rest passiert dann von ganz allein. Gleichzeitig geht aber schon einmal nicht. Seitdem ich ein Unternehmen führe, fließt meine Kreativität nicht unbedingt in Design oder Kollektionen, sondern in mein Geschäftsmodell. Das Wichtigste ist für mich, mein Unternehmen nach vorn zu bringen und meine Vision der holistischen Digitalisierung in der Mode zu verwirklichen. Sport brauche ich als Ausgleich. Ich mache Yoga, laufe dreimal in der Woche morgens und gehe auch noch, wie es gerade passt, eine halbe Stunde ins Fitnessstudio. Montag und Mittwoch arbeite ich sehr lang. An den anderen Tagen bin ich nachmittags Mutter von zwei großartigen Kindern. Wenn ich mit meinen Kindern bin, weiß mein Team, dass ich nicht erreichbar bin.

Ich habe schon vorher mehrere Projekte gegründet und herausgefunden, dass die Welt nicht untergeht und auch mein Team sehr gut Probleme lösen kann. Erst wenn die Kinder schlafen, bin ich wieder Unternehmerin. Dafür bin ich dann abends noch bis in die Nacht wach und arbeite. Aber ich liebe auch einfach, was ich tue und es wachsen zu sehen.

www.yoona-tech.com

@yoona.ai_design

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