„Die Start-Up Phase ist eine Herausforderung für unser soziales Umfeld.“

Pia-Maria Laux und Natalia Marassi,

Gründerinnen von SHAREaLOOK


Produkte müssen wieder mehr kosten und es muss klare Verantwortungen geben, das ist die Meinung von Pia-Maria Laux und Natalia Marassi. Als Lösung dieses Problems sehen die beiden ihr Rental Fashion-Business. „Als Marke sollte mein Hauptanliegen sein, ein Produkt, einen Wert zu kreieren, der möglichst lange erhalten bleibt und nur positive Auswirkungen auf die Gesellschaft hat. Hierzu müssen wir beweisen, dass es Vorteilhaft für Marken ist, die Verantwortung für Ihre Produkte von der ersten Zeichnung bis über den aktiven Gebrauch hinaus zu übernehmen.“

Zugegeben keine einfache Aufgabe, aber Pia-Maria und Natalia sind fest überzeugt, dass der Weg zu einer nachhaltigeren Industrie zirkulär ist. Im Interview erzählen sie uns mehr zu ihrer Gründungsgeschichte und ihren Ambitionen.

Liebe Pia, wie kam es zu dem Konzept mit SHAREaLOOK?

Natalia und ich arbeiteten beide bei einer großen Lingerie Marke, sie als Schnittstelle zwischen Brand und Finance und ich im Brand Management. Auf unserem täglichen Weg zur Arbeit fantasierten wir immer, was wir gerne machen würden, um die Modeindustrie nachhaltiger und fairer zu gestalten. So entwickelte sie im Zuge ihres MBAs eine Idee für eine Organisation, die Kleider in Brasilien wiederverwendet und ich feilte schon seit Jahren an meiner Idee für eine zirkuläre Modeindustrie. Als dann die Schweizer Impact Hub einen Incubator launchten, um zirkuläre Business Modelle zu unterstützen, wollte ich unbedingt dabei sein.

Allerdings bin ich eher die kommunikative und kreative und wusste, dass ich jemanden brauchte, der oder die mich komplementiert. So schrieb ich ihr eine WhatsApp „Hey Naty,  how about we join our forces and apply for this incubator.“ Und sie sagte einfach „Yes, sure. Let’s do it! So haben wir unsere Ambitionen und Ideen zusammengefasst und SHAREaLOOK gestartet.

Mode und Trends sind heute sehr schnelllebig. Wie wollt ihr mit eurem Konzept zu mehr Nachhaltigkeit beitragen?

Trends werden erzeugt. Sie sind ein Mittel, um Kleidern künstliches Ablaufdatum zu geben. Klar wollen wir immer etwas Neues haben. Gerade modeaffine Frauen inspirieren und orientieren sich stark an Beispielen aus Magazinen und sozialen Medien. Die Kleider, die wir tragen, spiegeln die Gesellschaft wieder, in der wir leben. Gute Designer sind meist sehr sensible Geister, welche den Zeitgeist einfangen und in eine Kollektion übersetzen. So hatten wir im 20. Jahrhundert in jeder Dekade einen neuen, besonderen Stil. Neue Schnitte und Materialien wurden erfunden, die Frau aus dem Korsett befreit, die Röcke wurden kürzer, die Schultern breiter und die Farbvielfalt unendlich. Nun leben wir mittlerweile in einer Welt mit unlimitierten Eindrücken, viele Konventionen sind überwunden und, zumindest hier in Europa, haben die meisten Menschen das Glück sie selbst sein zu dürfen. Daher sehen wir derzeit auch einen bunten Mix an „Trends“ und ein Revival der letzten Dekaden. Frau kann sich heute in Kleidern aus den 70ern, 80ern oder 90ern im Vintage Laden einkleiden und für ihren Look in 2019 bewundert werden. Das ist eine wunderbare Chance für die Mode und für die Umwelt! Vintage Kleider zu tragen ist viel weniger belastend für unseren Planeten, da du so den C02- und wasserintensiven Produktionsprozess aussparst. Zudem fallen in der Produktion Unmengen an Chemikalien an und die Kleider reisen meist um die ganze Welt, bevor sie im Laden in deiner Stadt landen.


Nach 20 Jahren Fast Fashion stehen wir nun vor folgenden der Herausforderungen:

Konsumverhalten:

Wir müssen als Konsument*innen bzw. als Gesellschaft lernen, dass Kleider kein Wegwerfprodukt sind. Wir müssen verstehen, dass die Produktion von Kleidung extrem belastend für unsere Umwelt ist. Zudem ist das derzeitige System so auf Geschwindigkeit und Effizienz getrimmt, dass Menschen, besonders in der Produktion darunter gesundheitlich und psychisch leiden. Während sich in den letzten 20 Jahren der Kleiderkonsum verdreifachte, halbierte sich die Tragezeit. 3/5 aller Kleider landen innerhalb von einem Jahr im Müll.

Systemfehler:

In der Modeindustrie fokussieren wir uns auf Volumen. Quantität ist es was zählt. Je mehr produziert wird, umso besser. Denn dann wird das einzelne Produkt günstiger. Als ein erfolgreiches Produkt, gilt nicht ein Produkt, welches lange hält und möglichst unschädlich ist, sondern ein Produkt, welches möglichst viel Profit abwirft und so schnell wie möglich nicht mehr im Besitz des Herstellers ist. Es geht darum, dass sich Produkte „Schnell drehen“. Damit meinen wir Modemenschen den schnellen Abverkauf. Fast Fashion treibt dies noch auf die Spitze und setzt darauf, dass das gestern unverhältnismäßig günstig erstandene Kleidungsstück, heute schon nicht mehr gewollt ist. Pro Produkt wird zwar nur ein kleiner Gewinn erzielt, aber die Menge macht’s. Der Fokus ist falsch gesetzt.

Mit SHAREaLOOK fokussieren wir uns besonders auf diese zwei Herausforderungen und versuchen Alternativen aufzuzeigen. Der Community Ansatz hilft dabei die Idee eines bewussteren Gebrauches von Kleidung zu fördern. Gleich zu Beginn merkten wir, dass trotz Initiativen, wie der Fashion Revolution, und vielen Schlagzeilen in Bezug auf die Umweltbelastung und Ausbeutung durch die Modeindustrie, ein Großteil der Verbraucherinnen sich dessen doch nicht bewusst sind. An unseren Events adressieren wir das Thema und zeigen andere Möglichkeiten sich stylish und bezahlbar zu kleiden. Warum musst du deine ungetragenen Kleider wegwerfen, wenn sie noch jemand anders tragen will? Warum kaufst du dir nicht das wunderschöne, fair produzierte Kleid für 500 €, wenn du dir die Kosten mit der Community teilen kannst? In Bezug auf den Systemwandel, welchen wir unterstützen wollen, glauben wir, dass es einen Mix aus guter Technologie und Kollaborationen bedarf.

Wir verstehen euer Konzept als mehr, als nur eine weitere Online-Sales-Plattform. Ihr nehmt auch Stylisten, Wäschereien usw. auf. Wie passen diese Unternehmen in euer Konzept?

Die Stylistinnen, Schneidereien und Wäschereien verstehen wir als Services, die die Lebensdauer von Kleidung verlängern können. Sie sind ein essenzieller Teil der Vision.

Warum war es dir ein Anliegen gleich ein Business daraus zu formen, anstatt bspw. eine Facebook-Gruppe aufzumachen und alle an einen Ort zu bringen?

Eine Facebook-Gruppe war tatsächlich unser erster Gedanke. Das wäre wohl auch viel einfacher gewesen, als gleich eine Plattform von 0-aufzubauen. Allerdings würde eine Facebook-Gruppe zwar für den Community Bereich super funktionieren, uns aber technisch zu sehr limitieren. Die Plattform ist für uns ein lebendiges Wesen, welches entlang unseres zirkulären Business Models mitwachsen und lernen muss. Beispielsweise werden wir als nächsten Schritt ein 3D Body Scanning & Fit Feature integrieren. Wir haben vier Hauptphasen in welchen die Plattform wächst. Dies ist mit einer Facebook Gruppe nicht möglich.

Wir haben gelesen, du wolltest mit der angestrebten Veränderungen nicht länger warten, hattest deinen Job gekündigt und hast alles auf eine Karte gesetzt. Wie war die Gründungsphase für dich? Hattest du schlaflose Nächte?

Dies ist wahrscheinlich der schwerste Teil. Ein neues Unternehmen braucht all deine Aufmerksamkeit, aber auch eine menge Geld. Wir wollten nicht gleich zu Investoren gehen, sondern erst einmal das Produkt entwickeln und die Community aufbauen. Es war gar nicht so einfach diesen ersten Schritt zu gehen. Ich bin allerdings jemand, der einen Fokus braucht. Jeden Tag kommen neue Ideen und neue Projekt auf mich zu. Ich hatte das Gefühl, der Sache nicht gerecht zu werden, wenn ich es neben meinem intensiven Vollzeit-Job am Wochenende versuche aufzuziehen. Natalia hatte zu Beginn zudem auch noch einen neuen Job angefangen und merkte dann irgendwann zwischen 100% Job, 100% Mutter , 20% MBA und 100% Start-Up, dass es zu viel ist. So hat auch sie ihren neuen Job wieder aufgegeben. Mittlerweile hat sie eine Teilzeitstelle und mich werden wir nun ab Januar in 2020 Vollzeit anstellen können.

Die Start-Up Phase ist auch eine Herausforderung für unser soziales Umfeld. Oftmals fühlen sich unsere Partner vernachlässigt, da wir nun die Wochenenden und Abende mit SHAREaLOOK verbringen. Dies ist ein Balance-Akt. Hinzu kommt, dass Natalia eine kleine Tochter hat, mit der sich natürlich auch Zeit verbringen will. So mussten wir lernen unseren Tagesablauf auf die Minute genau zu organisieren.

Schlaflose Nächte wegen SHAREaLOOK haben wir dennoch nicht. Wir sind uns unserer Sache sehr sicher, bzw. sind ok damit, dass alles ungewiss ist und wir sehr wahrscheinlich mehrere Jahre hart arbeiten und unseren Lebensstandard zurückschrauben. Es ist sicherlich keine einfache Zeit aber machbar mit jemanden an seiner Seite, der einen genau versteht und immer unterstützt. Deswegen ist es auch sehr gut gemeinsam durch diese Zeit zu gehen.

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Wie habt ihr, du und Natalia, das nötige Wissen für eine Gründung angeeignet?

Natalia hat unser Business Case für Ihren MBA verwendet und konnte so besonders auch durch die Experten dort Feedback zu unserem Business Model erhalten. Persönlich habe ich schon einige Zeit vor der Gründung angefangen, an Workshops und Trainings für Gründer*innen teilzunehmen. Ich habe Online Kurse auf Open Source Learning Plattformen gemacht. So hatte ich schon ein gewisses Netzwerk und einen guten Ansatz zum Start. Daher haben wir uns dann auch bei einem Incubator angemeldet und sind so gestartet.

Generell denke ich, dass man alles Nötige durch Meetups und in Eigenrecherche lernen kann. Unbezahlbar ist es zudem einen bunten Mix and Industrieexperten und erfahrenen Gründern an Bord zu holen und diese bei größeren Entscheidungen, um Ihre Meinung zu fragen.

Auf welche Social Media Plattform setzt ihr derzeit am meisten, um zu wachsen und warum?

Im ersten Jahr haben wir sehr stark auf Instagram gesetzt, da wir dort unsere Zielgruppe am besten erreichen können. Instagram ist super, um direktes Feedback zu erhalten und zu testen. Wir arbeiten viel mit Mirco Influencern und diese lerne ich meist zuerst über Instagram kennen. Zudem können wir hier gezielt Kampagnen schalten und die Produkte direkt verlinken. Derzeit analysieren wir die bisherige Performance und überlegen aber auch mehr auf Pinterest und Youtube zu setzen.

Wo soll es mit SHAREaLOOK hingehen?

Im kommenden Jahr werden unser Team im Bereich Community Building ausbauen, die Plattform wird im ersten Quartal einige besondere neue Features launchen und wir werden über die Schweiz hinaus, den deutschen Markt angehen. Zudem sind wir gerade in Gesprächen, um den B2B Bereich auszubauen und ein Pilot-Projekt zu launchen. Ende 2020 wird SHAREaLOOK Konsumentinnen, Service Provider und Brands in der Schweiz und in ausgewählten Städten in Deutschland eine Plattform geben, um eine neue Art des Konsums zu leben. Wir setzen stark auf Partnerschaften und werden uns entlang der zirkulären Wertschöpfungskette ausweiten. Die Ziele sind klar gesetzt: Bis 2030 wollen wir den perfekten Kreislauf aufgebaut haben.

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