Kai Michels und Lucie Friedrich, Gründerinnen von Jubel Patisserie
Ein Unternehmen mit mehreren Visionären zu gründen, beruht in den meisten Fällen auf einer engen, über mehrere Jahre bestehenden Freundschafts- oder Businessbeziehung. Das Vertrauen wurde bereits über lange Zeit aufgebaut und die Expertise unter Beweis gestellt. Dass sich das aber auch anders ergeben kann, beweisen Kai Michels und Lucie Friedrich, die Gründerinnen der Jubel Patisserie.
Zusammengebracht hat die beiden nämlich ihr Traum von einer eigenen Patisserie, und das ohne großartigen gemeinsamen Background. Genauer gesagt, waren die beiden nämlich vor ihrer Gründung auch nur Bekannte, die zwar Jahre zuvor einmal im Job miteinander gearbeitet, sich aber erst im Zuge des Gründungsprozesses so richtig kennengelernt haben – vor allem in den drei Monaten, als Lucie bei Kai einzog, damit die beiden Tag und Nacht am Businessplan arbeiten konnten.
Wie der Zufall es so wollte, befanden sich die beiden zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, Zukunftsvisionen wurden ausgetauscht und die Idee zur Jubel Patisserie wurde geboren. Im Interview erzählt uns heute Kai mehr über die Gründungsgeschichte und die Ambitionen hinter dem Business.
Liebe Kai, wann kam das Bedürfnis nach einer eigenen Patisserie und wer von euch hatte die Idee?
Ich wollte mich eigentlich schon immer selbständig machen, aber es war nie klar in welcher Form. Für Lucie gilt das Gleiche. Ich bin gelernte Köchin und Konditormeisterin und Lucie ist eine sehr erfahrene Servicefachfrau und Restaurantleiterin. Eines Tages, als ich einen Bekannten von einer Weinbar, wo Lucie arbeitete, abholte, kamen wir ins Gespräch und Lucie sagte mir, dass sie es eigentlich cooler fände, etwas Eigenes zu machen. Die Idee kam auf, dass wir ja etwas zusammen machen könnten; es gab ja kaum eine bessere Kombination als Küche und Service.
Wir haben erst an ein Frühstückscafé gedacht, aber je länger wir darüber sprachen, umso klarer wurde uns, dass wir uns eher auf das spezialisieren sollten, was wir besonders gut können. Und das ist in meinem Fall nun mal die Patisserie. Erst wollten wir bestimmte Themenbuffets für Hochzeiten und Geburtstage anbieten, maßgeschneidert nach dem Wunsch des Kunden, so eine Art „Sweet Tables“, ganz im Motto der Veranstaltung. Unser heutiges Ladencafé sollte dabei als Showroom fungieren, um den Kunden zu zeigen, was möglich sei. Im Endeffekt haben wir jetzt aber kein aufeinander abgestimmtes Sortiment, sondern produzieren besondere Törtchen mit ungewöhnlichen Geschmackskombinationen, wie z.B. Himbeere mit Rote Bete und Fenchel oder Schokoladentörtchen mit Olive und Kaffirlimette.
Wie seid ihr auf den Namen Jubel gekommen?
Wir haben lange überlegt. Jubel stand schon recht früh auf unserer Namensliste. Während alle Namen, die wir anfangs noch toll fanden, immer blöder wurden, wurde Jubel immer besser. Einfach und genau das, was wir beim Kunden auslösen wollen mit unseren Törtchen.
Wo hast du das Handwerk in der Backstube gelernt?
Ich habe immer als Köchin gearbeitet, hatte mich aber von Anfang an auf die Patisserie spezialisiert. Ursprünglich wollte ich sogar Konditorin werden, hatte sogar schon einen Ausbildungsplatz, aber die haben dann verkauft und nicht mehr ausgebildet. Da ich allen anderen Unternehmen, bei denen ich mich vorgestellt hatte, schon abgesagt hatte, war ich zu stolz, dort noch einmal anzuklopfen. Also habe ich eine Kochlehre gemacht, und bin heute mehr als froh darüber, weil die Patisserie in einer guten Restaurantküche wesentlich vielfältiger ist, als die deutsche Konditorei. Man kombiniert anders, lernt andere Zubereitungstechniken, auch auf den herzhaften Posten, die man dann adaptieren kann. Nicht nur Kuchen, Torten und Pralinen, sondern auch Eis und Cremes und Mehlspeisen und so weiter.
Als wir dann hier die ersten Törtchen produziert haben, musste ich auch erst einmal umlernen, dass das „Dessert“ auch mal sieben Stunden in der Vitrine stehen muss und trotzdem noch schön und lecker sein sollte. Die Tellerdesserts im Restaurant gehen ja sofort an den Gast, man kann viel mehr mit Temperaturen spielen, oder mit Zuckergeschichten, das ist in der Vitrine nicht umsetzbar.
Eure Gebäcke sind wahrlich Kunstwerke. Was ist euer Anspruch an jedes Gebäck, das ihr unter die Leute bringt?
Es muss zuallererst immer lecker sein. Uns ist es wichtig, dass man jede Zutat auch rausschmecken kann. Wenn ich ein Törtchen mit Karotte und Tamarinde und Cashewkernen mache, dann sollte auch nichts davon im Hintergrund verschwinden. Außerdem ist bei uns, bis auf ganz wenige Ausnahmen, die Dekoration des Törtchens auch immer Geschmacksträger. Wir machen nicht irgendwo Schokodekor drauf, nur weil es gut aussieht, sondern es muss sich auch ins Geschmacksbild einfügen. Und der Gast soll immer überrascht werden, von einem ungewöhnlichen Geschmack oder einer versteckten Zutat, die man auf den ersten Blick nicht sieht. Und es muss immer eine knusprige Komponente mit dabei sein, das ist wichtig!
Dabei ergänzen Lucie und ich uns ganz gut, denn sie hat noch mal einen anderen Blick auf das Törtchen. Ich dachte ja, jetzt als selbständige kann ich einfach machen, was ich will, aber Lucie ist jetzt meine stärkste Kritikerin. Sie denkt zum Beispiel auch daran, wie der Gast das Törtchen isst, was mir früher, wo ich ja gar keinen Kontakt zu den Gästen hatte, keinen Gedanken wert war.
Wie können wir uns den Kreationsprozess neuer Törtchen vorstellen? Habt ihr schon einmal etwas kreiert, dass so gar nicht bei euren Kunden angekommen ist?
Es ist immer unterschiedlich: manchmal fliegt einem eine Idee einfach zu, manchmal muss man sich wirklich hinsetzen und überlegen. Mittlerweile sind wir ja noch ein paar mehr Leute geworden, und jeder darf seine Ideen einbringen. Gemeinsam wird das Törtchen gedanklich entworfen und dann ausprobiert. Meist bedarf es nur geringfügiger Änderungen, da wir uns alle recht klar im Kopf vorstellen können, was zusammenpasst und was nicht. Einmal haben wir ein Törtchen mit Feige und Speck gemacht, wobei ich zuerst dachte, dass es vielleicht keiner will, aber es war so lecker, dass alle begeistert waren. Natürlich trifft man nicht immer hundertprozentig jeden Geschmack der vielen Gäste, aber auch wenn es nicht so ihr Törtchen war, finden sie es dann dennoch nie unlecker.
Credit: Jubel Patisserie
Nun ist eure Patisserie klein und fein. Habt ihr die Ressourcen und die Ambitionen zu einem Zeitpunkt das Konzept für den großen Handel zu öffnen?
Wir haben als ein Zwei-Frau-Unternehmen angefangen und sind mittlerweile zu sechst. Wir schaffen auch recht große Aufträge bis zu 600 oder 800 Törtchen, aber da kommen wir dann schon allein von der Lagerfläche an unsere Grenzen. Wir wollten niemals einen zweiten Laden aufmachen, denn nur wenn wir klein bleiben, können wir unsere Qualität auch wirklich halten. Es ist immer einer von uns da, um alles zu kontrollieren. Die Lieferung an andere Wiederverkäufer haben wir auch aus diesem Grund aufgegeben. Wir haben es versucht, aber die Wiederverkäufer wollen natürlich nicht die Preise zahlen, die wir verlangen müssen, und außerdem verkaufen sie die Törtchen wesentlich länger, als wir das tun. Bei uns ist das Törtchen jeden Tag frisch, wenn ich zum Wiederverkäufer zum Liefern komme und er immer noch die Törtchen von vor vier Tagen in der Vitrine stehen hat und dann dem Gast erzählt, es seien „Jubel-Törtchen“, ist das für uns auf gar keinen Fall Werbung, sondern eher kontraproduktiv.
Wir spielen allerdings immer mit dem Gedanken, uns vom Laden selbst her zu vergrößern. Direkt nebenan ist auch ein kleiner Laden, und wir haben mit dem Vermieter schon abgekaspert, dass wir die Läden zusammenführen, wenn die jetzigen Mieter rausgehen. Das ist im Moment noch nicht der Fall, und wir wollen auch keinen rausschmeißen, aber wenn es dann mal irgendwann passiert, sind wir bereit.
Gab es soweit Lernprozesse als Unternehmer, die euch im positiven als auch im negativen überrascht haben?
Man lernt nie aus! Ein paar Lernprozesse habe ich ja schon angesprochen, was die Realisierung der Törtchen angeht. Wir wurden am Anfang ein bisschen belächelt („die beiden Mädels, die schaffen das nie“), aber im Gegensatz zu anderen, großspurigen Gründern in unserer Branche sind wir nach mittlerweile schon sechs Jahren immer noch gut im Geschäft, und es läuft immer besser. Wichtig ist, nicht stur das angestrebte Konzept durchzuboxen, sondern auch Kompromisse finden zu können, wenn man seine Kunden zufrieden stellen möchte.
Ich persönlich habe ganz viel gelernt, was den Kontakt mit Gästen angeht, da ich in Lucies erster Elternzeit in den Service gewechselt bin. Wir hatten jemanden für die Backstube eingestellt, auf den ich ja immer noch ein Auge werfen konnte, aber wir wollten immer persönlich für unsere Kunden als Gesicht des Ladens auftreten. Wir finden nichts furchtbarer, als wenn man von ungelernten Aushilfskräften bedient wird, denen alles egal ist, was sie dem Gast servieren. Dadurch habe ich zum Beispiel die Kunst des Small Talks erlernt, was vorher für mich gar nicht ging. Oder, dass es einem wichtig ist, die Kunden persönlich zu begeistern, denn man bekommt sofort ein Feedback. Außerdem haben wir gelernt, unlukrative Aufträge auch mal nicht anzunehmen, oder Sachen, auf die wir nicht spezialisiert sind. Wir finden es besser, langsam zu wachsen, als zu früh zu viel zu wollen und dann unterzugehen.
Und ein gutes Betriebsklima ist wichtig, denn wenn man die Personen nicht mag, mit denen man die ganze Zeit verbringt, dann wird man unglücklich. Unsere Angestellten sollen auch glücklich sein, denn nur so können wir sie lange halten, auch wenn wir keine Riesengehälter bezahlen können. Wir wollen ja auch neben all der Arbeit auch Zeit mit der Familie verbringen können. Im Moment führen wir unser Business mit zwei Schließtagen, Montag und Dienstag, und sind sonst von Mittwoch bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Reich werden wir wohl nie damit werden, aber es reicht zum Leben, und es macht uns Spaß, das ist das Allerwichtigste.
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