„Anfangs dachte ich, dass ich genauso sein müsse wie mein Vater, bis ich zunehmend spürte, dass ich mich dabei verbog.“

Anita Freitag-Meyer,

Geschäftsführerin der Hans Freitag Keksfabrik

Credit: Martina van Kann


Anita Freitag-Meyer übernahm schon mit 23 Jahren die Position der geschäftsführenden Gesellschafterin der Keksfabrik, die ihr Großvater vor 75 Jahren gründete. Heute beschreibt sie die Anfangszeit als eine große Herausforderung, wo ihr gelegentlich richtig Angst und Bange war, ob sie den Anforderungen standhalten könnte. Alle Höhen und Tiefen über die letzten 30 Jahre gemeistert, führt sie mittlerweile nicht nur ein sehr erfolgreiches Familienunternehmen in dritter Generation, sondern hat auch verstanden, welche Rolle sie als Geschäftsführerin in Sachen Authentizität, Transparenz und Personal Branding spielt.

Liebe Anita, eine Keksfabrik zu führen, hört sich für uns wie ein Träumchen an. Umgeben von Leckereien und himmlischen Duft. Siehst (und riechst) du diese Seite noch oder stumpft das mit der Zeit ab?

Wenn ich erzähle, dass ich Inhaberin einer Keksfabrik bin, geht bei vielen Menschen vor dem inneren Auge ein romantisches Bild einer mit Mehl verstaubten Backstube auf mit Ausstechförmchen, Butterfässern und Nudelhölzern. Mein Alltag ist jedoch der in einem echten Industriebetrieb, in dem täglich circa 130 Tonnen Kekse und Waffeln produziert werden. Natürlich riecht es bei uns immer herrlich und der Duft nach frischem Gebäck liegt permanent in der Luft. Die Freude über eine gut laufende Produktion und das Ergebnis, das am Ende aus unseren Öfen läuft, freut mich tatsächlich immer noch jeden Tag. Ich bin sehr froh, dass mein Großvater vor fast 75 Jahren den Grundstein für unsere Keks- und Waffelfabrik gelegt und keine Schraubenproduktion gestartet hat, denn mit Lebensmitteln, beziehungsweise Süßwaren zu tun zu haben ist immer mit Emotionen verbunden.

Hast du es jemals bereut dir Firma übernommen zu haben oder hättest du vielleicht gerne vorher etwas anderes ausprobiert?

Ich habe es nicht einen Tag lang bereut, die Verantwortung in der Firma übernommen zu haben. Sicher hatte ich als junges Mädchen auch mal andere Träume, so stand zum Beispiel in unserem Abijahrgangsbuch unter Berufswunsch bei mir „irgendwas mit Medien“. Nach einem kurzen Volontariat bei der „Hörzu“ merkte ich jedoch relativ schnell, dass ich eine große Chance vertun würde, wenn ich die Nachfolge nicht wenigstens in Betracht ziehen würde. Als Unternehmerkind bekommt man die Attribute Verantwortungsgefühl und Entscheidungsfreude quasi mit in die Wiege gelegt. Was ich jedoch hin und wieder mal gedacht habe ist, wie ich mich wohl in der freien Wirtschaft in anderen Unternehmen geschlagen hätte. Das musste ich nie unter Beweis stellen. Auch wenn mein Vater mich nie geschont hat, so war ich natürlich in den Augen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer die Tochter des Hauses und potentielle zukünftige Chefin. Ich wehre mich aber entschieden dagegen, dass es für Junioren generell einfacher ist, eine berufliche Karriere zu starten. Man wird immer sehr an seinem Vorgänger gemessen und da ist es nicht immer einfach, seinen eigenen Führungsstil und Weg zu finden.

Welcher Teil der Selbstständigkeit macht dir auch heute noch die größte Freude?

Die Einstellung zu meiner Rolle als Unternehmerin und meinen täglichen Aufgaben, hat sich im Laufe der Jahre stark verändert. Zu Beginn meiner Karriere und auch viele Jahre die darauf folgten, habe ich es als meine Pflicht angesehen an fast allen Prozessen aktiv mit zu arbeiten. Ich habe aber zunehmend begriffen, dass ich als Chefin meine Einstellung zu wahrer Führung ändern muss. Ein Team zu leiten bedeutet, den Spirit zu prägen, eine produktive, angstfreie und kooperative Grundstimmung zu fördern und seinen Leuten die bestmöglichen Voraussetzungen zu bieten, sich zu entwickeln und ihr Bestes zu geben. Wir sind ein Team von Machern, die auch mal Fehler machen. Diese verzeihe ich sowohl mir selbst, als auch meinen Leuten.

Ich begleite zwar heute immer noch alle wichtigen Vorgänge im Unternehmen, bin überall stark involviert und interessiere mich für alle Abteilungen und deren Aufgaben. Ich habe aber auch gelernt abzugeben und vor allen Dingen zu vertrauen, denn meiner Meinung nach ist erfolgreiche Führung ohne Vertrauen nicht möglich.

Mit deinem „Keksblog“ gibst du deinen Kunden auch einen Blick hinter die Kulissen deiner Firma. Wann hast du erkannt, dass Authentizität, Transparenz und ein Blick hinter die Kulissen gut für deine Firma sind?

Ich bin seit 2012 mit meinem Unternehmen in den sozialen Netzwerken unterwegs und mit der Gründung des Keksblogs habe ich mir einen kleinen Traum erfüllt, denn ich tue nichts lieber als über meine „Keksbude“ zu sprechen und meine Begeisterung für meine Arbeit und meine Produkte zu teilen. Einen Corporate Blog aufzusetzen gab mir damals diese Möglichkeit auch ohne große Budgets und Agenturen. Die einzige Vorgabe war ein stimmiges Bauchgefühl und der große Wunsch mit unseren Verbrauchern in den Dialog zu treten. Mittlerweile ist der Keksblog nicht mehr die aktivste Plattform, sondern ich beobachte immer mehr ein Interesse an der Verknüpfung meiner Person mit meinem beruflichen Wirken als weibliche Führungskraft. Dementsprechend gab es einen stärkeren Fokus auf meinen persönlichen Instagram-Kanal (@anitafreitagmeyer).

Du bloggst vor allem auch noch selbst. Nimmst du dir hier bewusst und regelmäßig die Zeit oder läuft das „so nebenbei“?

Seit jeher habe ich Social Media immer nur nebenbei gemacht. Ich habe mich weder an Redaktionspläne gehalten, noch habe ich mich durch eine festgelegte Regelmäßigkeit drängeln lassen, etwas zu posten. Es galt schon immer das Lust- und Freudeprinzip. Ich teile einfach Dinge, die ich mag und von denen ich glaube, dass auch andere Interesse daran haben könnten. Der Marketingaspekt weicht dabei für mich in den Hintergrund. Mein Motto war stets alles aus dem Bauch heraus zu machen und nur so konnte die viel gerühmte Authentizität entstehen. Ich zeige meine Produktionsanlagen und Produktneuheiten genau so spontan wie einen selbstgestrickten Pullover oder mein aktuelles Lieblingsbuch. Ich halte nichts davon, die Managerin von der Privatperson zu trennen. Wir haben alle nur ein Leben und für mich gilt jeden Morgen aufs Neue, das Beste aus dem Tag zu machen und maximal Freude zu haben. Sei es im Büro, auf Geschäftsreisen, mit Familie und Freunden oder allein.

Influencermarketing ist ja gerade im Food-Bereich sehr im Trend. Setzt ihr ebenfalls darauf? Was ist derzeit oder stärkstes Marketing-Tool?

Unser Geschäftsmodell hat sich in den letzten Jahren fast ausschließlich auf die Produktion von Private Label-Produkte, sog. Handelsmarken konzentriert. Unsere eigene Marke „Hans Freitag“ ist dadurch zunehmend in den Hintergrund getreten. Das habe ich eine Zeit lang sehr bedauert, weil hieran auch viel jahrzehntelange Traditionen geknüpft sind. Am Ende des Tages ist es mir aber egal, in welche Tüte meine Kekse gefüllt werden, ob es im Namen unserer internationalen Kunden geschieht oder unter meinem eigenen Label, denn mir ist wichtig, dass der Laden brummt. Da wir ohnehin nie eine klassische starke Marke waren, die in den Köpfen der Verbraucher präsent ist, kann ich diese Entwicklung akzeptieren. Investition in Influencer Marketing mache ich heute aus diesen Gründen gar nicht mehr.

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In einem Traditionsunternehmen zu arbeiten bedeutet auch, sich mit Traditionen und alten Arbeitsweisen auseinanderzusetzen und sie ggf. an die heutige Zeit anzupassen. Was war das erste, auf das du geschaut und ggf. geändert hast, als du die Firma übernommen hast?

Als ich bei uns anfing, hatte ich das große Glück, in meinem Vater einen hervorragenden Mentor und Lehrmeister zu haben. Er war ein Chef der alten Schule, manche nennen diesen Führungsstil auch „nach alter Gutsherrenart“. Entscheidungen des Patriarchen waren Gesetz, dem hat man nicht widersprochen, es war auch immer ein bisschen Angst spürbar. Anfangs dachte ich, dass ich genauso sein müsse wie mein Vater, bis ich zunehmend spürte, dass ich mich dabei verbog. Ich führe wesentlich kooperativer, schaue mehr, was der Einzelne braucht, um Privates und Job unter einen Hut zu kriegen. Als zweifache Mutter weiß ich ja, wie schwer es ist. Dass es jedoch geht, beides zu wollen, Kind und Beruf, konnte ich in meinem Leben möglich machen und das wünsche ich mir auch für die Menschen, die in meinen Unternehmen arbeiten.

Auch als Geschäftsführerin lernt man nie aus. Wie bildest du dich weiter und auf wen oder was schaust du um dich inspirieren zu lassen?

Ich bin schon immer sehr gerne auf Seminare und Workshops gegangen, lese sehr viel und habe immer alle Antennen auf Empfang. Heute vergeht keine freie Minute, in der ich nicht Podcasts zu Sachthemen im Bereich Politik, Wirtschaft und Führung höre, oder auch Videoformate wie die Master Class oder auch Social-Media-Kanäle spannender Persönlichkeiten inspirieren mich. Ich habe keine klassischen Vorbilder, interessiere mich aber sehr für die Lebenswege, Stolpersteine und Hindernisse, die andere überwunden haben. Da ich sehr begeisterungsfähig bin, schnappe ich immer wieder neue Themen auf, verfolge diese intensiv und schaue dann, ob sie in mein Leben passen und was ich für mich daraus machen kann.

www.hans-freitag.de

@hansfreitag_kekse

Photography: Credit: Martina van Kann

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