Paula Mendes, Co-Founder of Nord Coast Coffee
Dass Kaffee schon in Paulas Kindheit in Brasilien eine große Rolle gespielt hat, hat sie besonders ihren Großeltern zu verdanken, die im Kaffeeanbaugebiet Minas Gerais schon Kaffee angebaut hatten. Als kleines Mädchen hatte sie ihrem Opa beim Kaffeerösten schon über die Schultern geschaut und war von Kaffee fasziniert. Einige Jahre später lernte sie in Hamburg in der Speicherstadtrösterei ihren Partner Jörn kennen und lieben und sechs Jahre später, 2004, kam der Entscheid, es muss was Eigenes her: die Kaffeerösterei Nord Coast Coffee. Wir haben mit den Gründern Jörn Gorzolla und Paula Mendes Alio über ihr Start-up und ihre Gründungserfahrungen gesprochen.
Ihr Lieben, wie habt ihr eure Gründung und euer erstes Jahr in Erinnerung?
Im Oktober 2015 haben wir die erste Location in der Deichstraße 9 eröffnet. Bereits ein Jahr zuvor hatten wir unseren Businessplan und das Konzept ausgearbeitet und verfeinert. Zuerst hatten wir jedoch einen anderen Laden im Auge, waren dann aber bei der Besichtigung der Deichstraße sofort verzaubert – die Räumlichkeiten, das Fleet, der Industriecharme. Da konnten wir nicht widerstehen. Es war die perfekte Location für uns. Gerade jetzt, in den Monaten der Pandemie, in denen unsere Cafés geschlossen sind, erinnern wir uns immer wieder an das Anfangsjahr zurück. Die ersten zwei Wochen nach der Eröffnung haben uns teilweise zweifeln lassen, ob unser Konzept überhaupt erfolgreich sein würde. Wir haben uns über jeden Gast gefreut, der seinen Weg zu uns gefunden hatte.
Es war eine Bestandsprobe für uns als Paar, als Geschäftspartner und für unsere Zukunft. Feste Mitarbeiter haben wir erst ein halbes Jahr nach Eröffnung eingestellt, davor bestand das Team aus uns beiden. Von früh bis spät wurde gebacken, gekocht und sich um die Gäste gekümmert. Danach haben wir den Laden für den nächsten Tag vorbereitet, waren Einkaufen und am einzigen freien Tag wartete die Buchhaltung auf uns. Es war eine wirklich harte Zeit. Umso stolzer sind wir jetzt auf unser starkes Team, das uns unterstützt und uns viele Dinge abnimmt, damit wir unser Privatleben und den hart erarbeiteten Erfolg auch genießen können.
Wie habt ihr das Rösten gelernt?
Für das Rösten ist Jörn verantwortlich. In der Speicherstadtrösterei hat er das gelernt und sich über sechs Jahre die Techniken selbst angeeignet – sozusagen „Learning by Burning“. Durch unzählige Röstungen im Proberöster hat er immer neue Feinheiten der einzelnen Kaffeesorten hervorgebracht und die Röstprofile verfeinert. Mit sogenannten Cuppings (Geschmacksproben) hat er sich mit den unterschiedlichen Geschmacksnuancen der Kaffees auseinandergesetzt und sich mit viel Hingabe und Wissensdurst, durch Lektüren, Wettbewerbe und den Austausch mit Kollegen, die Kunst der verschiedenen Röstverfahren angeeignet. Generell wollten wir uns auf heller geröstete Kaffees, fruchtige Aromen und feinere Röstverfahren spezialisieren und damit die Kaffeewelt revolutionieren.
Apropos Produktentwicklung: Woher bekommt ihr eure Rohstoffe?
Im Moment beziehen wir Kaffees aus acht verschiedenen Ländern. Unser Angebot variiert aber auch, da wir versuchen immer nur kleine Chargen zu kaufen und deswegen vereinzelt Sorten auslaufen können. Die ursprüngliche Idee war es, mit kleinen Röstereien zusammenzuarbeiten und die Kaffees selbst zu importieren, was auch größtenteils gelungen ist. Einige Kaffees beziehen wir von Rohkaffeehändlern unseres Vertrauens, mit denen wir bereits vor unserer Selbstständigkeit zusammengearbeitet haben. Hier sind uns die Unterstützung sozialer Projekte und die vollständige Transparenz im Anbau, der Produktion und die fairen Bedingungen im Handel sehr wichtig.
Gibt es Unterschiede in den Rohstoffen bzw. wo sie herkommen, um euren Kaffee perfekt zu rösten?
Die Unterschiede sind sehr groß. Der Ursprung des Kaffees (z.B. südamerikanische oder afrikanische Kaffees), die Größe der Bohnen, die Geschmacksnuancen und die Röstung, tragen ihren Teil zum perfekten Kaffee bei. Wir versuchen eine große Bandbreite an unterschiedlichen Kaffees anzubieten, um für jeden Gast ein tolles Erlebnis kreieren zu können. Auch die Röstzeit spielt für den perfekten Kaffee eine große Rolle, um zum Beispiel eher fruchtige Aromen oder schokoladige Noten herauszuarbeiten.
Wie seit ihr die Lieferantensuche angegangen?
Bereits vor der Gründung war uns klar, mit welchen Röstkollegen wir gerne zusammenarbeiten wollten. Wir legen Wert auf Partner, die selbst importieren, gute Beziehungen zu Kaffee Kooperationen in den Ursprungsländern haben, die soziale Projekte und faire Behandlung und Bezahlung unterstützen, sowie ein besonderes Augenmerk auf Top-Qualität legen. Reibungsloser Transport und gute Kommunikation sind ebenfalls essenziell. Für den gastronomischen Teil haben wir auch viele Fach- und Bio-Messen besucht, um tolle Lieferanten zu finden.
Nord Coast Coffee
Nord Coast Coffee
Wie stellt ihr die Qualität eures Rohkaffees sicher? Macht ihr Qualitätskontrollen in Eigenregie?
Natürlich testen und kontrollieren wir, bevor wir neue Bohnen einkaufen, ob diese unseren Qualitätsstandards entsprechen. Hier spielen Zustand der Bohnen, Geruch und Verunreinigungen oder Fehler eine große Rolle. Proben aus der sogenannten Vorernte geben uns bereits dann eine Idee, wie der Kaffee der neuen Ernte schmecken wird. Diese Proben rösten wir bei uns vor Ort im kleinen Probenröster in drei Chargen. So können wir eventuelle Fehler erkennen und aussortieren. In der Tasse bewerten wir dann, ob der Kaffee unseren Geschmack trifft. In Absprache mit dem Bauern, versuchen wir das perfekte Produkt zu entwickeln. Wenn die Lieferung dann bei uns ist, machen wir Stichproben und entscheiden uns für ein Geschmacksprofil.
Bei euch geht´s ja nicht nur um den Kaffee, sondern ihr habt ja auch ein Café. War das gleich Teil der Gründungsidee, oder ist dieses Konzept mit der Nachfrage der Kunden entstanden?
Ein Teil unseres Konzepts war von Anfang an, ein tolles und einzigartiges Frühstück anzubieten. Damit waren wir hier in Hamburg auch Vorreiter. Das Zusammenspiel von gutem Kaffee und gesunden Speisen funktioniert sehr gut und die Gäste kommen genau deswegen immer wieder zu uns und sind sehr neugierig. Die Vielfalt ausgefallener Frühstückskomponenten wird von Jahr zu Jahr angepasst. Die Idee unserer Acai Bowl kommt ursprünglich aus Brasilien und war hier noch komplett unbekannt. Auch unser pochiertes Ei auf Avocado und Brot, war damals in Australien schon sehr beliebt, hierzulande aber noch neu. Intuitiv haben wir mit gesunden und frischen Zutaten, verschiedenen Bowls und vielen vegetarischen Gerichten genau den Geschmack der Gäste getroffen.
Röstet ihr als Gründer noch selbst? Wo liegen derzeit eure Tätigkeitsgebiete?
Uns findet ihr in jedem Bereich. Wir arbeiten Hand in Hand mit unserem Team zusammen. Jörn röstet den Kaffee vor Ort selbst – diese Aufgabe möchte er auch gar nicht abgeben und ich kümmere mich leidenschaftlich um die Gastronomie. Kreativer Kopf in der Küche zu sein macht mir sehr viel Spaß. Ich würde eher den kaufmännischen Teil abgeben, als das Handwerk im Café.
Mittlerweile gibt es ja in unzähligen Coffeeshops ein richtig ausgefallenes Menü mit den wildesten Kaffeekreationen. Wie weit und wie kreativ geht ihr hier? Gibt es bei euch eine wilde Eigenkreation?
Wir sind eher Minimalisten im Bereich Kaffee. Uns sind traditionelle Brühmethoden, wie zum Beispiel unsere Filterstation sehr wichtig. Dort brühen wir jeden Kaffee frisch von Hand auf. Wir möchten den ursprünglichen Geschmack des Kaffees zelebrieren und ihn nicht mit anderen Komponenten vermischen. Die Vielfalt der Geschmacksmöglichkeiten der reinen Kaffees fasziniert nicht nur die Gäste. Das zeichnet uns aus.
Wie skeptisch seid ihr mittlerweile, wenn ihr mit Freunden woanders einen Kaffee trinken geht. Kann man es euch recht machen?
Wenn wir woanders Essen oder kaffeetrinken gehen, legen wir großen Wert auf gute und schmackhafte Produkte. Meistens haben wir zuvor eine Empfehlung von Freunden oder Bekannten bekommen – ich lasse mich da nicht so gerne überraschen. Wir kennen die guten Baristas und Coffeeshops in Hamburg, wissen dort auch wo der Kaffee herkommt und nehmen auch gerne einen längeren Weg in Kauf, bevor wir einen schlecht zubereiteten Kaffee trinken.
www.nordcoast-coffee.shop
@nordcoastcoffee
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