Judith Glatzer, Founder von Milk Made Ice Cream
Ein eigenes Unternehmen zu gründen, zu führen und zu halten, egal wie groß, erfordert jeden Tag eine große Portion Mut, sagt Milk Made Ice Cream-Gründerin Judith Glatzer. Eine Mischung aus: Flexibel und Neugierig zu bleiben, die Verantwortung, dem Team, den Kunden, der Familie und den Freunden gegenüber gewachsen zu sein und dabei sich selbst nicht zu verlieren, hat sich bei ihr schon immer bewährt und wird es hoffentlich auch weiterhin tun. Das hat sich besonders in den letzten Monaten während der Corona-Phase bewiesen. Erst zwei Wochen vor dem ersten Lockdown hatte sie ihr erstes Ladengeschäft eröffnet und musste nicht nur schnell reagieren, sondern auch kreativ denken.
Liebe Judith, wir haben gelesen, dass dein erster Eisladen ein umgebauter Pferdewagen war – sehr interessant! Erzähle uns bitte mehr darüber und deine Gründerambitionen.
Die Idee, mich mit leckerem Eis selbstständig zu machen kam 2016 auf. Allein diesen großen Schritt zu wagen fiel mir schwer, weswegen ich beschloss, eine Geschäftspartnerin mit reinzuholen. So kam ich auf eine Bekannte, die Fähigkeiten mitbrachte, die ich nicht hatte, wie zum Beispiel gute grafische Kenntnisse. Wir waren glücklicherweise schnell auf einer Wellenlänge und teilten die Vision. Also ging es auch alsbald los. Die finanziellen Mittel waren bei Gründung knapp und damit ein stationärer Eisladen, den ich eigentlich immer wollte, zu dem Zeitpunkt nicht möglich. So begannen wir, etwas kreativer und flexibler zu denken. Die Idee des mobilen Eiswagens kam auf und wir bauten kurzerhand die Eistruhe in einen Pferdeanhänger, anstatt in einen Eisladen. Den Anhänger bauten wir mit großartiger Hilfe von Freunden in ein paar Monaten um, sodass wir pünktlich zum Sommeranfang 2016 mit dem Verkauf von unserem Eis starten konnten.
Wo hast du deine Qualitäten als Unternehmerin unter Beweis stellen können? Schon vor deiner Gründung oder war alles Learning by Doing in deinem eigenen Business?
Meine Geschäftspartnerin stieg überraschenderweise im Frühling 2018 aus und damit stellte sich mir die Frage: Weitermachen oder aufhören? Ich entschied mich zum Glück fürs Weitermachen. Dadurch musste ich mich allerdings plötzlich in Bereichen beweisen, die mir vorher fremd waren oder wir uns bisher geteilt hatten. Es musste eine neue Struktur geschaffen und ein größeres Team aufgebaut werden und die Verantwortung für alles lag auf einmal bei mir. Es war für mich ein Ausprobieren an vielen Fronten und ein tägliches Beweisen, Lernen und auch Weiterbilden meiner Kompetenzen. Mein Selbstbewusstsein wuchs, als ich sah, dass MILK MADE langsam aber stetig größer wurde. Die Nachfrage nach unserem Eis stieg und mein Wunsch, auch endlich einen stationären Eisladen zu haben, wuchs mit. Als recht spontan, oder ungeplant eine geeignete Fläche frei wurde, eröffnete ich Anfang 2020 meinen ersten MILK MADE Ice Cream Shop. Den Umbau machten wir zu einem großen Teil selbst, mit der tatkräftigen Unterstützung von Freunden. Hier war sehr spannend zu sehen, wie man mit einem guten Team auch Dinge umgesetzt bekommt, die völlig neu sind. Das hat mir ein gutes Gefühl und Vertrauen für die Eröffnung des Shops gegeben. Die Produktionsstätte, die bis dahin in Ottensen, in einer umgebauten Garage auf dem Gelände des Thalia Theaters, war, gab ich auf und alles war nun an einem Ort in einem Eisladen in Eppendorf. Hier begann das tägliche Learning wieder von vorn, denn von jetzt auf gleich gab es einen Laden und eine Produktion, die angeführt werden mussten. Auch hier konnte ich wieder auf meine Freunde setzen. In unserer ersten Saison haben mich viele Freunde in ihrer Freizeit bzw. parallel zum Studium unterstützt. Und unser Eis wurde so gut angenommen, dass wir im März 2021 den zweiten Laden eröffneten. Neben dem stationären Eisgeschäft haben wir angefangen, weitere Vertriebskanäle aufzubauen und Kooperationen abzuschließen. Diese Bereiche sind für mich Neuland und führen mich an meine Grenzen. Deswegen ist es wichtig, zu lernen, und auch zu lernen, Bereiche abzugeben. Ich bin sehr froh, ein gut funktionierendes Team an meiner Seite zu haben. Die kommen teilweise aus ganz anderen beruflichen Bereichen und bringen neuen und frischen Input mit, sodass ich nie das Gefühl habe, stehenzubleiben.
Erzähle uns ein bisschen über deinen Background. Was hast du vorher gemacht und was hat dich in die Selbstständigkeit getrieben?
Mein beruflicher Werdegang hat vieles, nur keinen roten Faden – das schon ein Mal vorweg. Ich habe ganz klassisch an der Universität Hamburg studiert und meinen Bachelor in Sonderpädagogik absolviert. Während der Studienzeit arbeitete ich in einem kleinen Eisladen. Nach dem Bachelor merkte ich schnell, dass die Universität und ich nun getrennte Wege gehen werden – ich sehnte mich nach etwas Praktischem. So arbeitete ich fast zwei Jahre in einer Filmproduktion. Die Zeit war aufregend und lehrreich, aber auch da merkte ich, dass es nicht von Dauer sein wird und so gestand ich mir ein, dass es das Eis ist, was mich am glücklichsten macht. Wie es manchmal so ist, wurde die damalige Besitzerin des kleinen Eisladens schwanger, sodass ich ihn zwei Jahre leitete, bevor ich es dann endlich wagte und MILK MADE Ice Cream gründete.
Hast du dich damals allein an das Thema Unternehmensgründung gewagt oder hattest du Mentoren an deiner Seite?
Durch die Learning by Doing-Philosophie mit der ich MILK MADE Ice Cream gegründet habe und in vielen Bereichen auch weiterhin führe, habe ich mich offen und unvoreingenommen an das Thema Unternehmensgründung gewagt. Für mich der beste Weg, da ich dadurch nicht dazu verleitet werde, Ideen zu sehr zu zerdenken und manche Dinge dadurch nicht zu wagen. Bei der Handelskammer hatte ich ein kurzes Orientierungsgespräch. Gern hätte ich aber einen Ansprechpartner gehabt, um einen Überblick zu bekommen, was man wann angemeldet, ausgefüllt oder beantragt haben muss… Hätte ich vorab gewusst, was es alles zu beachten, zu wissen oder zu beantragen gilt, hätte ich das Projekt vielleicht auch lieber gelassen. Aber es gibt ja für alles Profis, man muss nicht alles wissen oder können. Mit einem guten Steuerberater an der Seite ist bereits einiges an Know-how abgedeckt. Und was mir auch wahnsinnig geholfen hat, war meine bestehenden Kontakte zu nutzen. Über den Schatten meines Egos zu springen und Leute um Hilfe oder Erfahrungswerte zu bitten. Vielleicht hat man schon seit einigen Jahren keinen Kontakt mehr, aber hier ist die Bereitschaft zu helfen oder einen Gefallen zu tun meist groß. Ich habe nie schlechte Erfahrungen gemacht oder das Gefühl gehabt mich an jemanden zu verkaufen, nur weil mir bei einer Sache geholfen wurde, die ich allein gar nicht, vielleicht nicht so schnell oder gut gelöst hätte. Ich versuche auch, mich sozial breit aufzustellen, sofern man das beeinflussen kann, mich inspirieren zu lassen, von anderen zu lernen – das bringt mich weiter.
Wie kreativ bist du in deiner Sortenentwicklung und woher nimmst du dir Inspirationen dafür?
Eissorten zu entwickeln, ist für mich die schönste Aufgabe an meinem Job. Dabei muss das Rad aber nicht neu erfunden werden, finde ich. Beim Entwickeln neuer Sorten ist eine gute Basis entscheidend. Sie ist die Grundlage für ausgefallene Sorten oder Geschmackskombinationen. Wie zum Beispiel veganes Pistazien Kardamom Eis, Limetten Koriander Sorbet oder unser Klassiker Black Vanilla. Für neue Inspirationen sind bei uns oft die Kunden die beste Quelle. Sie erzählen uns von ihren Lieblings-Urlaubs-Eissorten oder den neuesten Trends im Ausland. Wir pflegen mit unseren Kunden einen guten Austausch, führen gern einen kleinen Plausch, versuchen Beziehungen aufzubauen. Und so kommen häufig über die Kommunikation, das Austauschen von Ideen super Sachen zustande. Da kann es schon Mal passieren, dass vor einem ein renommierter Koch steht und zwei einzelne Sorten sieht und den Anreiz gibt, dass die beiden zusammen eine super geschmackliche Mischung sind – er hatte recht!
Die Corona-Krise hat vielen nicht nur Zeit zum Nachdenken und reflektieren, sondern auch zum kreativsein gegeben. Wie hast du bisher die Zeit genutzt?
Seit der Corona-Krise habe ich das Gefühl, oft nur noch zu reagieren und schnell handeln zu müssen. Zeit zum Nachdenken und Durchatmen kommt seitdem etwas zu kurz. Die Bestimmungen für die Gastronomie änderten sich im Verlauf einige Male, sodass es gefühlt nie so eine richtige Zeit gab, um sich mit dem Status Quo zu arrangieren oder auch Dinge zu optimieren. Das ist vor allem dem Timing der Eröffnung des Ladens geschuldet, der zwei Wochen vor dem ersten Lockdown stattfand und uns zwang, schnell und kreativ zu handeln. Ich baute mit großer Hilfe meiner Freunde und des Teams einen Lieferdienst über Nacht auf, der zum Glück, getragen von der Solidarität und der Bekanntheit, die wir bis dahin schon hatten, sehr gut ankam. Nach kurzer Zeit öffneten wir, unter den vorgegebenen Auflagen, den Laden wieder und versuchen uns immer neue Aktionen und Sorten zu überlegen, die unsere Kunden auch weiterhin glücklich und uns als Marke spannend machen. Viel Zeit zum Reflektieren bleibt also kaum, die Winterpause war wetterbedingt und glücklicherweise sehr kurz. Wir sind und wollen immer dynamisch bleiben. Auch in der Ausrichtung unserer geschäftlichen Felder. Gestartet mit vor allem dem Event- und Cateringgeschäft, kamen plötzlich ganz neue Standbeine dazu, mit denen wir so nie geplant haben. In Zeiten von Corona ist das Liefergeschäft sehr wichtig für uns geworden und auch spannend, da sich geografisch unser Geschäftsgebiet vervielfacht hat.
Gibt es derzeit Auflagen, die dir das Leben als Unternehmerin extrem schwer machen?
Die Auflagen für die Eisläden sind zum Glück gut umsetzbar. Eis ist eher ein ToGo-Produkt. Wie sich der Erfolg unserer Läden nach der Pandemie entwickeln wird, ist für mich schwierig zu beurteilen, da der Beginn unseres ersten MILK MADE Ice Cream Shops auch der Beginn der Pandemie war.
Denkst du, es wird schwierig bzw. herausfordernd, an die Erfolge vor der Pandemie anzuknüpfen?
Was uns durch die Pandemie weggebrochen ist, sind die Veranstaltungen, auf denen wir mit unserem mobilen Eiswagen waren. Wie sich diese Branche wieder erholen wird, werden wir leider erst in den nächsten Jahren sehen. Ich bin gespannt und freue mich aber auf alles Neue, was die Zeit nach der Pandemie bringt.
Hast du so etwas wie eine Comeback-Strategie? Oder setzt du auf Bewährtes?
Das Comeback ist ehrlicherweise im letzten Jahr das Daily Business geworden. Immer wieder sich neue Dinge einfallen zu lassen, neue Vertriebswege zu entdecken, auszubauen. Trends beobachten. Für uns ist also das Bewährte das Comeback geworden.
www.milkmeadeicecream.de
@milkmadeicecream
Inspired Magazine © 2023 All rights reserved.