Flemming Pinck, Gründer der Hamburger Goldkehlchen
Wenn man heute von einem Chor spricht, denkt man für gewöhnlich zuerst an ambitionierte Senioren oder einen fulminanten Gospelchor. Was Flemming Pinck und Max Michel jedoch mit den Hamburger Goldkehlchen auf die Beine gestellt haben, gleicht eher einer Art riesigen Boyband (wir sprechen hier von 70 Männern), die ziemlich schnell das Herz der Zuhörer und der Medien erobert haben. Mit dem Motto “70 Männer, ein Chor, keiner kann singen – Ihr werdet es lieben!“ sind sie nicht nur sehr beliebt und viel gebucht, sondern haben auch schon ihre eigenen Songs herausgebracht. Im Interview erfahren wir von Gründer Flemming Pinck was hinter diesem großartigen Gesangsprojekt steckt.
Lieber Flemming, was hat euch dazu gebracht, euren eigenen Chor auf die Beine zu stellen?
Wir hatten einen weltklasse Karaokeabend in der berühmten Thai Oase in Hamburg. Am nächsten Morgen hatten wir mit dickem Schädel telefoniert und davon geschwärmt, wie geil es mal wieder war... Alle waren gut drauf, alle hatten mitgesungen und aufs Talent kam es nicht an. Da kam uns die Idee, wir könnten in einem Chor mitmachen, der genau diese Aspekte aufgreift. Nach kurzer Recherche war uns aber schnell klar, dass es solch einen Chor gar nicht gab, also haben wir ihn einfach selbst auf die Beine gestellt. Innerhalb von zwei Wochen hatten wir dank eines Facebook Aufrufs über 140 interessierte Männer, eine Top-Probelocation und einen Chorleiter.
Wie können wir uns euren „Recruiting-Prozess“ vorstellen? Hattet ihr es schwer, Mitglieder zu finden und auf welche Dinge habt ihr beim Casting besonders Wert gelegt?
Ehrliche Antwort: Wir können uns kaum retten vor Anfragen. Das war bereits ab dem ersten Tag schon so. Nach der zweiten Probe hatten wir direkt den Eintrittsriegel vorgeschoben und gesagt: Das ist hier jetzt die Crew, und wenn man dabei sein möchte, dann nur über ein Casting. Seitdem gibt es jedes Jahr ein Casting, bei dem sich um die 400 bis 500 Männer bewerben. Die Kreativsten laden wir dann ein und die dürfen sich beweisen. Genommen werden aber nur die allerbesten Teamplayer. Es ist wirklich nicht einfach reinzukommen. Ich würde nicht gern vor der Casting-Jury stehen (Lach).
Hattet ihr eine konkrete Vorstellung davon, in welchem Genre ihr euch niederlassen wolltet?
Nein, im Gegenteil. Wir hatten von Anfang an Lust, alles auszuprobieren. Wir haben 1000 Songideen, die wir gerne noch umsetzen wollen. Wir schauen aber vor allem darauf, dass man die Songs (besonders fürs Publikum) bereits kennt und gut mitsingen kann.
Euer Motto lautet: “70 Männer, ein Chor, keiner kann singen – Ihr werdet es lieben!“. Kann man das auch so raushören oder wie perfektionistisch seid ihr?
Also ich traue keinem einzelnen von uns auch nur annähernd eine Solokarriere zu. Wir sind schon individuell ziemlich schlecht. Klar gibt es ein paar Jungs, die es etwas mehr draufhaben und auch mal einen Ton treffen, aber die kann man an einer Hand abzählen. Im Kollektiv hört es sich aber wiederum richtig geil an (manchmal zumindest). Uns wurde sogar schon des Öfteren nachgesagt, dass wir zu gut wären.
Wie können wir uns eine Chorprobe vorstellen?
Du kommst rein und nimmst dir erstmal ein Bier. Freust dich die Jungs zu sehen und quatscht mit allen so lange, bis Thunder in seine Trillerpfeife bläst und es losgeht. Dann kurzes Stimmen Warm-up, welches alle nervig finden, ist aber nötig, weil wir nach anderthalb Stunden rumgrölen nicht mehr sprechen könnten. Und danach arbeiten wir entweder an neuen Songs oder schmettern ein paar alte. In der Vergangenheit waren auch sehr oft Kamerateams oder die Presse mit am Start, das werden wir in Zukunft aber ein bisschen herunterschrauben, da es sehr ablenkt und wir zu nichts kommen.
Hinter eurem Chor steht ja auch ein sozialer Aspekt, was wir sehr schön finden. Erzählt uns bitte, wie ihr eure Gesangstalente für einen guten Zweck einsetzen wollt.
Jeder Auftritt, egal ob Sommerkonzerte, Weihnachtskonzerte, externe Firmenfeiern oder was sonst noch so anfällt, ist mit einem sozialen Aspekt verbunden. Die Spendengelder oder Gagen geben wir 1:1 weiter. Somit konnten wir in Hamburg schon einiges bewegen. Wir arbeiten z.B. mit der Hamburger Tafel von Beginn an zusammen. Wir haben Winterjacken für Obdachlose gesammelt, Essen ausgefahren, einen Sprinter gekauft, um Bedürftige zu versorgen und Masken verschenkt. Außerdem haben wir die HSV-Institution Hamburger Weg supportet und ein schwerkrankes Mädchen finanziell unterstützt. Zwischendurch bekommen wir auch sehr nette Anfragen von Schicksalen, die wir einfach so aus der Chorkasse finanziell unterstützen. Es fühlt sich sehr gut und richtig an und dafür nutzen wir unsere Reichweite sehr gern.
Foto: Mattis Neumann
Foto: Julia Creations
Was man so über euch in den Medien liest, zeugt von sehr großem Zuspruch. Was glaubst du, woran es liegt, dass ihr so gut ankommt?
Ich glaube, zum einen sind wir durch unser Nicht-Können einfach nicht angreifbar. Das kommunizieren wir ja sehr offen und das ist auch unser Steckenpferd. Das macht uns vermutlich auch sympathisch. Dann haben wir ganz klar auch einen Cheerleader-Effekt. 70 Jungs – da ist fürs Auge auch ein bisschen was dabei. Komischerweise sind 80 Prozent unserer Fans weiblich. Der wichtigste Punkt aber (für uns zumindest) ist, dass wir von Anfang an gesagt haben, wir wollen Gutes tun. 100 Prozent unserer Einnahmen werden an gemeinnützige Institutionen in unserer Stadt gespendet. Hier konnten wir echt schon eine Menge reißen, worauf wir sehr stolz sind. Mittlerweile sind es über 250.000 €.
Habt ihr spezifisch in die Marketingkiste gegriffen oder hat sich das mit jedem Auftritt mehr und mehr herumgesprochen?
Nein Null, es kam wirklich alles organisch und ohne Plan. Wir wussten ja selbst nicht, dass es so gut ankommen würde. Die Menschen haben einfach Spaß daran, uns zu verfolgen. Wir haben auf YouTube auch euren Flashmob beim deutschen Radiopreis gefunden. Sehr gut gelungen!
Wie hat sich das ergeben?
Wir haben bestimmt jedes Jahr über 700 Anfragen für Auftritte. 99 Prozent lehnen wir leider ab, aber die Goldstückchen picken wir uns immer raus. Wir haben uns irgendwann mal gesagt: Kein Auftritt darf sich wiederholen. Das ist unser Anspruch. Und so eine Chance beim Radio Preis, neben allen Deutschen Musikgrößen dabei sein zu können, nehmen wir natürlich mit. Ihr habt ja mittlerweile auch schon eigene Songs, wie „HSV – Durch dick & dünn“, „Moin Moin Hamburg“ oder auch „Mr. Mercury“ veröffentlicht.
Ist es langfristig ein Ziel, mehr eigene Songs zu singen?
Das langfristige Ziel ist es, jedes Jahr zum Valentinstag einen eigenen Song zu releasen. Mehr nicht. Und auch hier gilt immer der gleiche Hintergedanke: Die Einnahmen, die wir damit generieren, reichen wir an ausgewählte Projekte weiter, um diese zu unterstützen.
Gibt es für euch Goldkelchen eine Art Traumveranstaltung oder Kooperation, die zu schön wäre, um wahr zu sein?
Mittlerweile trauen wir uns alles zu. Die letzten fünf Jahre waren so absurd und alles, was bis hier passiert ist, war wie ein Traum. Aber ja, es gibt noch einige Ziele. Das eigene Konzert in der Elbphilharmonie zum Beispiel oder eine Straße in Hamburg, die nach uns benannt werden soll. Ein eigenes Clubhaus, das wir Musikern und Bedürftigen zur Verfügung stellen können, die sich keinen Musikunterricht oder Instrumente leisten können, weitere Charthits, und und und... Die Liste ist lang. We will see.
www.hamburgergoldkehlchen.de
@diehamburgergoldkehlchen
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